Veröff.: (BRANDES, D. & J. SCHREI: Populationsbiologie und Ökologie von Berteroa incana (L.) DC. - Braunschw. naturkdl. Schr., 5: 441-465.)
Zusammenfassung: Berteroa incana (L.) DC. und Cardaria draba
(L.) DESV. sind zwei neophytische Vertreter der Brassicaceae, die in Deutschland
seit rund 100 Jahren eingebürgert sind. Im Bereich der Städte
Braunschweig, Peine, Hildesheim und Salzgitter wurden verschiedene Bestände
dieser Pflanzenarten untersucht. Besonderes Interesse galt der Vergesellschaftung
und den Wechselbeziehungen zur heimischen Entomofauna. Unter Laborbedingungen
wurden Keimversuche durchgeführt: Sowohl Berteroa incana als auch
Cardaria draba keimten bei Temperaturen von 5 bis 25 °C. Die Graukresse
keimte bei Temperaturen über 15 °C zu mehr als 90 %, die Pfeilkresse
erreichte eine maximale Keimsumme von 84 % bei 18 °C. Gequollene Samen
von Cardaria draba wurden während der Keimversuche rasch von Schimmelpilzen
befallen, wodurch die Keimerfolge beeinträchtigt wurden. Durch eine
Vorbehandlung mit Natriumhypochlorid-Lösung wurde die Keimsumme bei
25 °C um mehr als das Dreifache erhöht. Berteroa incana keimte
auch unter Lichtausschluß, wohingegen Cardaria draba sich als Lichtkeimer
erwies. In verschiedenen Substraten unterschiedlicher Tiefen erreichten
Keimlinge beider Kreuzblütler aus maximal 2 cm (in Sand) bzw. 4 cm
Tiefe (in Kokohum) die Oberfläche. Zur Überprüfung der vegetativen
Reproduktionskraft von Cardaria draba wurden Wurzelstücke verschiedener
Länge und unterschiedlichen Durchmessers in Sand oder Kokohum für
dreieinhalb Monate kultiviert und auf neu gebildete Sprosse untersucht.
Hierbei wurde auch an einem 3 mm dicken und 0,5 cm langen Wurzelstück
das Austreiben der einzigen Wurzelknospe festgestellt.
Die Wechselbeziehungen zur Entomofauna wurden beispielhaft an den Käfern
(Coleoptera), Schwebfliegen (Syrphidae) und Wanzen (Heteroptera) untersucht,
wobei zusätzliche Tierfänge an Lepidium campestre durchgeführt
wurden. Es wurden vorwiegend polyphage Arten festgestellt. Die erfaßten
Käfer beinhalteten aber auch oligophage Arten (Phyllotreta spp.) und
eng an Berteroa incana oder Cardaria draba gebundene Vertreter: An der
Graukresse wurde als stenophage Käferart Ceutorhynchus ignitus, an
der Pfeilkresse als monophage Art Meligethes lepidii festgestellt. Ceutorhynchus
turbatus und C. parvulus wurden als stenophage Käfer an Lepidium campestre
und Cardaria draba erfaßt.
Cardaria draba wurde im näheren Untersuchungsgebiet und auf der
Insel Helgoland an zahlreichen unterschiedlichen Standorten gefunden. Die
Vegetationsaufnahmen aus dem UG belegen, daß diese Art sowohl in
artenarmen Beständen als auch in solchen mit zahlreichen Begleitern
vorkommt. Hochstet wird Cardaria draba von verschiedenen Arten der Artemisietea
begleitet, wohingegen Charakterarten der Ordnung Agropyretalia eher unregelmäßig
vertreten sind. Diese Beobachtungen unterstützen die Auflösung
der Klasse Agropyretea und die Integration der Ordnung Agropyretalia in
die Klasse Artemisietea.
Die untersuchten Berteroa incana-Bestände zeigten ein relativ
einheitliches Erscheinungsbild, doch konnten aufgrund der geringen Größe
vieler Vorkommen oftmals nur Derivatgesellschaften durch pflanzensoziologische
Aufnahmen belegt werden. Größere Bestände zeichneten sich
durch eine Vielzahl von Begleitarten (insbesondere der Klasse Artemisietea)
aus. Aufgrund der Lage des Untersu-chungsgebietes im Übergangsbereich
vom subatlantischen zum subkontinentalen Klima konnten sowohl Vertreter
der westlichen als auch der östlichen Rasse des Berteroetum incanae
(nach MUCINA & BRANDES 1985) festgestellt werden.
Die Pfeilkresse gedeiht entlang verschiedener Verkehrswege und vermag
auch Sonderstandorte wie salzbeeinflußte Halden (zumindest im Randbereich)
zu besiedeln. Durch die Anlage von Transekten und Probeflächen wurde
versucht, Aufschlüsse über die kleinflächige Verteilung
der Cardaria draba-Sprosse in diesen Bereichen zu gewinnen.
Abschließend werden einige Aspekte des Naturschutzes angesprochen.