Veröff.: (SCHRADER, H.-J.: Die Moosflora von Braunschweig. - Limprichtia, 2: 1-98, Anh.)
Zusammenfassung: In dem Zeitraum vom Herbst 1989 bis zum April
1990 wurde das Gebiet der Stadt Braunschweig bryofloristisch untersucht.
Innerhalb der politischen Grenzen der Stadt, die eine Fläche von 19.204
ha umfaßt, wurden 152 Moossippen rezent nachgewiesen. Zusätzlich
wurden Herbarbelege aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und
Angaben aus HELLWIG (1990), die das 12. - 16. Jahrhundert berücksichtigen,
ausgewertet. Von diesen Moossippen konnten 37 bei der Kartierung nicht
mehr nachgewiesen werden.
Die Erfassung der Moosflora erfolgte auf der Basis von Minutenfeldern.
Für diese 79 Felder wurde jeweils eine Artenliste aufgenommen, die
Häufigkeit jeder Sippe abgeschätzt und anhand von Verbreitungskarten
dargestellt. Die Artenzahlen der erfaßten Minutenfelder liegen zwischen
20 und 72. Besonders artenarme Felder zeichnen sich durch geringe Standortvielfalt
und einen hohen Anteil an landwirt-schaftlich genutzter Fläche aus.
Innerhalb der bebauten Fläche sind strukturarme Gebiete der jüngeren
Stadtteile artenärmer als die älteren Teile der Stadt. Vor allem
die Umflutgräben der Oker und die Parkanlagen bedingen hier eine größere
Artenvielfalt. Deutlich überdurchschnittliche Artenzahlen finden sich
jedoch nur in Minutenfeldern mit einem hohen Anteil an Wäldern. Besonders
die extremen Standorte auf armen, vernäßten Böden bei Riddagshausen
und die kalkreichen Böden im Rautheimer Holz zeichnen sich hier aus.
Die Darstellung der Arealtypen zeigt den hohen Anteil der Moose mit
temperatem Areal an der rezenten Moosflora. Obwohl dieses für ein
Gebiet, welches in der temperaten Zone liegt, zu erwarten ist, zeigt sich
im Vergleich der Arealtypen von rezenten und verschollenen Moosen ein differenzierteres
Bild. Besonders Arten mit borealer Verbreitung waren im Gebiet früher
häufiger und sind überproportional vom Artenschwund betroffen.
Eine eingehende Beschreibung der ökologischen Ansprüche der
verschollenen und seltenen Arten geben die entsprechenden Zeigerwerte.
Wie in der Darstellung der Frequenzklassen deutlich wird, stellen gerade
die seltenen Arten einen hohen Anteil der rezenten Moosflora. Ihre Ansprüche
sind durch die Bevorzugung lichter und kühler Standorte gekennzeichnet.
Die epiphytische und epilithische Moosvegetation wurde im Hinblick
auf Fragen der Bioindiktation eingehend untersucht. Mit den epilithischen
Arten handelt es sich zudem um Gesellschaften, die im Gebiet fast ausschließlich
auf vom Menschen geschaffenen Sekundärstandorten vorkommen.
Die erfaßten Bäume weisen an vergleichbaren Standorten ein
ähnliches Epiphyteninventar auf. Geordnet nach dem Grade des anthropogenen
Einflusses ergibt sich für die Epiphytenvegetation der Stadt Braunschweig
folgendes Bild: Das kennzeichnende Moos an der Rinde von Bäumen an
naturnahen Standorten ist Hypnum cupressiforme. Lichte Stellen werden dabei
zusätzlich von Amblystegium serpens besiedelt und Bäume in geschlossenen
Gehölzbeständen von Lophocolea heterophylla. Deutlich am häufigsten
sind in diesen Wäldern artenarme Vergesellschaftungen mit Hypnum cupressiforme
s. str. und solche mit der var. filiforme. Abgesehen von Sonderstandorten
lassen sich ärmere Standort durch Dicranum scoparium und reichere
durch Platygyrium repens charakterisieren. Artenreiche Gesellschaften,
die sich höher am Baum emporziehen, sind sehr selten und auf luftfeuchte
Lagen, z.B. in Bachnähe beschränkt.
Die Epiphytenvegetation von Sekundärstandorten, wie die von Obstbäumen,
wird durch einen hohen Anteil an häufigen und euryöken Arten
beschrieben. Die Straßenbäume innerhalb der Stadtgrenze zeichnen
sich durch eine extreme Artenarmut aus. Echte Epiphyten sind sehr selten
und auf luftfeuchte Lagen beschränkt. Auch die Straßenbäume
an umliegenden Landstraßen weisen selten Epiphyten auf.
Die epilithische Moosvegetation an Mauern ist artenreicher als die
an Rinde. Zum überwiegenden Teil läßt sie sich der Assoziation
des Grimmio-Tortuletum muralis v. HÜBSCHMANN 1950 anschließen.
Durch das Vorkommen bestimmter Arten lassen sich darin weitere ökologisch
differenzierte Ausbildungen erkennen, die durch eine besondere Strahlungsintensität
und den Kalkgehalt gekennzeichnet sind. Da Natursteinmauern im Stadtgebiet
sehr selten sind, beschränken sich die epilithischen Arten zumeist
auf Beton, Ziegel und andere Baumaterialien.